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Pressemitteilung

Politischer Aschermittwoch

Pressemeldung Kreisbote Kempten

Nahmen die Stadtpolitik aufs Korn: die Stadträte (v.l.) Michael Hofer, Dr. Philipp Jedelhauser und Helmut Hitscherich. © Tröger Kreisbote

Es war ein Gesamtpaket, das die ÖDP Oberallgäu-Kempten für den Politischen Aschermittwoch im Bundestagswahljahr 2017 geschnürt hatte. Dennoch lag der Fokus klar auf den lokalen Themen, nachdem die Bundestags-Direktkandidatin ­Lucia Fischer, Bezirksvorsitzende der ÖDP Schwaben, kurz die Gelegenheit wahrgenommen hatte, für sich zu werben.

An die 50 Interessiert hatte die ÖDP an diesem Aschermittwoch ins „Stift“ gelockt und damit deutlich mehr, als es in den letzten paar Jahren der Fall gewesen war. Serviert wurde ihnen ein straffes und prall mit aktuellen lokal- und regionalpolitischen Themen gefülltes Programm, in dem die „Hinterholzer Musikanten“ zwischendurch Gelegenheit zur geistigen Verarbeitung ließen. Zuvor aber ergriff Dr. Philipp Jedelhauser aus der Kemptener Stadtratsfraktion noch das Wort und ließ sich in amüsant-sarkastischem Ton über Gesetze, politische Debatten bis Statistiken rund um Hundebisse, Politik, Pittbulls und Dackel aus.

Tierisch ging es dann auch beim Stadtratsfraktionstrio Jedelhauser, Michael Hofer (auch Vorsitzender ÖDP-Kreisverband), der die Melodie auf seiner Gitarre vorgab, und Helmut Hitscherich, weiter. Sie besangen „mit fremden Reimen, aber aus prominenter Feder“ allerhand Themen. Zunächst gaben sie zu vielen Kühen im Stall, Bienen, Vögeln und – mit Hinweis auf den jüngst genehmigten Bauantrag für einen Stall für 1300 Schweine bei Kempten – dem Schwein, dessen Stall ja bekanntlich „zu klein“ ist, wenn es auf einem Bein steht, eine Stimme. Die „gute Nachricht“ zwischen dem durchgehend eingestreuten Refrain „Alles ist schön Öko, doch nur auf dem Papier; wasch mich, doch lass mich trocken, wir Menschen, so sind wir“, waren 70 Landwirten, die im Allgäu auf Ökobetrieb umgestellt hatten.

Ein kleiner Ausflug in die „hohe Deutsche Politik“ – Stichworte „Fracking“ oder Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung – und schon ging es ins südliche Oberallgäu, das Michael Finger, stellvertretender Vorsitzender ödp-Oberallgäu, in ziemlich bissige Raps verpackte und nicht nur direkt gegen die CSU als solche Giftpfeile schoss. Als „absolute Wahnsinnsshow“ bezeichnete er die Pläne für das Wasserkraftwerk an der Eisenbreche mit dem Vorwurf an den Landrat Anton Klotz „da habt ihr geltendes Recht ignoriert/ wie ein Schokokuchen süß glasiert wart ihr recht blasiert/ denn an eurer Politik klebt Blut/ doch ich geh immer dahin wo es weh tut“. Besonders angetan hat es ihm Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer, den er „in einer schönen kühlen klaren Mondnacht“ am Riedberger Horn „unterm Liftmast“ traf. Jeden Tag schaue dieser auf seinen Landesentwicklungsplan (LEP), aber „er schützt sich, denn er liest nie den Gesetzestext“. Scharfe Worte fand Finger auch im Rap „ÖKOModellregion“, in der „unsere Bauern kopfüber im Welthandel schwimmen“ und das „Wachsen ohne Grenzen“ sei „wie Asyl mit Obergrenzen“. Am Schluss steht sein klares Bekenntnis: „Ich bin der Letzte der spricht, wenn alle anderen talken/ ich liebe das Leben/ und würde mein Herz für meine Heimat geben.“

Zu guter Letzt ergriff das Räte-Trio nochmals die Rede- (und Sing-)Hoheit, um bei Kemptens Stadtpolitik noch richtig zur Sache zu gehen. Und da ließen sie wohl kaum ein Thema aus. Sei es das Auseinanderklaffen von „Zukunftsvision und konkretem Handeln“ bezüglich des Masterplanes „100 Prozent Klimaschutz bis 2050“; das „Job Ticket“ für den Öffentlichen Nahverkehr, bei dem der Landrat „jetzt nicht mehr mitmachen will“ und das, wo sich „ja unsere CSU seit neuestem Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben hat“; der Radweg in der Immenstädter Straße, der „seit zwei Jahrzehnten“ kommen soll; die erfolgreich zurück erkämpften Splitkästen oder der Dauerbrenner Döner-Nachtverkauf in der Kronenstraße. Eine Schütte an Ironie gab es für den Sparkassenneubau wofür zu wenig Stellplätze vorhanden seien, „doch z’mal ist die Garag’ kaputt/ das kommt uns grade recht/ dann können wir sie groß erweitern/ das ist doch gar nicht schlecht“. An weiteren „Blabla“-Themen mangelte es dem Trio nicht und dabei ließen sie auch den Alt-OB nicht aus der Pflicht. Unter den „halt auch Altlasten von Dr. Netzer“ blieben noch ungeschehene Projekte wie zum Beispiel die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes, die Freudenbergunterführung oder auch der Kreisel der nördlichen Altstadt-

einfahrt nicht unerwähnt. Ebenso das „Alleinstellungsmerkmal“ Archäologischer Park Cambodunum (APC), für den zwar letztes Jahr eine Leiterin für dessen Entwicklung eingestellt worden sei, nicht aber Geld im Haushalt und das für die „nächsten fünf Jahre“. Kaum ein städtischer „Makel“ der dem Trio entgangen wäre und so legte es den Finger auch in Wunden wie Dieselstraße mit der bereits 60.000 Euro teuren „Posse Altlasten wegen einer Deponie, die der Stadt angeblich nicht bekannt war“ und nun nochmals 170.000 Euro für den dortigen LKW-Parkplatz „in die Hand genommen werden müssen“; oder die Gerberstraße, die nach Vorschlägen von Planungsbüros bis zur Illerstraße so umgebaut hätte werden sollen, „dass man bis zur Iller flanieren kann“, mit einer so genannten „Brandbox“ in der Brandstatt. „Außer Spesen aber nichts gewesen“, so das Fazit. Oder das Reizthema Bäckerstraße, in der die Klagen über den Straßenbelag nicht abreißen.

Fragen warfen bei den drei Stadträten aber auch aktuelle Vorgänge in der Stadt auf. Zum Beispiel wie „einer, der dick im Friedhofsgeschäft steckt“, nach und nach u.a. Häuser und Gaststätten aufkaufen könne und nun auch noch ein Parkhaus bauen wolle. „Der muss ja ganz schön verdienen“ mit seinem Friedhofsgeschäft, konstatierten sie verwundert, da die Stadt mit dem Friedhof „von Jahr zu Jahr doch noch rötere Zahlen“ schreibe. Die „brennende“ Frage sei hier wohl, was die Stadt beim Friedhof „nicht mehr selber macht“, gab sich Jedelhauser kryptisch. Ja, und dann war doch noch der „mit den Versuchsballons, der immer so hoch hinaus will“ und der Zeitung schon immer alles stecke, „bevor OB und Verwaltung überhaupt Beschied wissen“. Der, der „Weltstadt Flair an den Stadteingang“ hinsetzten und den von ihm auf dem Gelände um die Keck-Kapelle angedachten 60 Meter Turm „nun weiter von der Iller-Hangkante weg bauen“ wolle. Vielleicht von der Meinung des OB beflügelt, „jeder Meter von dieser Kante weg tut ja dem Stadtbild gut“, habe er gleich noch ein weiteres Gebäude geplant. Schlussapplaus gab es nach eineinhalb Stunden vom wohl gelaunten Publikum reichlich.

Christine Tröger

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